Braucht es denn Fleischreifung

Ist es nicht besser, je frischer es ist? Letztere Frage lässt sich mit einem klaren Nein beantworten.

Richtig frisch geschlachtetes Rindfleisch, das direkt in den Laden oder zum Kunden geliefert würde, wäre kaum genießbar und so zäh wie die sprichwörtliche Schuhsohle.

Was ist die Fleischreifung?

Bis zu 24 Stunden nach der Schlachtung wird beim Rindfleisch der rigor mortis ausgebildet, also die Totenstarre. Die Muskelfasern, die nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden, bleiben in einem starren Zustand. Das Fleisch ist jetzt also extrem zäh und kann kaum Wasser binden.

In den Muskeln laufen jedoch weiterhin chemische Prozesse ab: Hier wird Glycogen in Milchsäure umgewandelt; der pH-Wert sinkt. Dieser Vorgang setzt Enzyme frei, die die Strukturen der Muskelfasern aufzulösen beginnen, wobei Aminosäuren entstehen. Diese tragen entscheidend zur Ausbildung des typischen Aromas bei. Das Fleisch wird also während der Reifung zarter und geschmacksintensiver.

Welche Arten der Fleischreifungreifung gibt es?

Ihr kennt das aus alten Filmen: Der Mafiaboss lässt einen Unglücklichen ins Kühlhaus neben dem Schlachthof verschleppen und in der Kälte zwischen den baumelnden Rinderhälften verhören. Diese Form der Reifung nennt man Dry Aging (also Trockenreifung). Man spricht auch vom Abhängen. Das Fleisch verbleibt dabei am Knochen – wie lange, das hängt vom Alter und Geschlecht des Rindes und vom jeweiligen Teilstück ab. Ein Filet wird schon nach einer Woche vom Knochen gelöst, während das Roastbeef drei bis vier Wochen Reifezeit braucht.

Vorteile des Dry Aging

  • das Wasser verdunstet langsam und gleichmäßig, was den Fleischgeschmack intensiviert
  • der Sauerstoff, der das Fleisch jederzeit erreicht, sorgt für ein fantastisches Aroma

Nachteile des Dry Aging

  • die Verluste durch Austrocknung und Entfernung der schwarzen äußeren Schicht können zwischen 30 und 50 Prozent betragen. Das macht das Fleisch natürlich etwas teurer.
  • technisch aufwendige Lagerung bei einem bis drei Grad Celsius, steter Belüftung und einer Luftfeuchtigkeit von zwischen 80 und 90 Prozent

Schneller und einfacher ist es, das Fleisch direkt nach der Schlachtung vom Knochen zu lösen und vakuumverpackt in einzelnen Portionen reifen zu lassen. Diese Vorgehensweise ist das Wet Aging (also Nassreifung).

Vorteile des Wet Aging

  • kein Flüssigkeitsverlust, auch magere Stücke bleiben saftig
  • die Reifung geht schneller vonstatten
  • minimierte Gefahr durch Bakterienbefall

Nachteile des Wet Aging

  • durch erhöhte Milchsäureproduktion leicht säuerliches Aroma
  • weniger intensiver Fleischgeschmack

Welche Methode ist besser?

Ob eine Fleischreifung-Methode der anderen vorzuziehen ist, muss jeder für sich entscheiden. Gourmets schwören für erstklassige Steaks auf Dry Aging, greifen dafür aber auch tiefer in die Tasche. Für Schmorstücke oder mageres Fleisch ist Wet Aging hingegen gut geeignet. Sicher ist nur: Reifen muss Rindfleisch auf jeden Fall!